VDR intern
Sicherungssysteme für Renten und Pensionen auf dem Prüfstand
VDR-Seniorenvertreter diskutieren über reale und gefühlte Ungerechtigkeiten in der Altersversorgung – Christa Nicklas im Amt bestätigt.
In Rente oder in Pension gegangene Lehrkräfte stellen im VDR zahlenmäßig eine beachtliche Größe dar. Allein das ist schon ein hinreichender Grund, Bedürfnisse und Anliegen dieses Personenkreises in den Forderungskatalogen der Landesverbände an
dominanter Stelle zu berücksichtigen. Hinzu kommen in der Regel jahrzehntelange Lebens- und Berufserfahrungen, die sich viele Schulen gern erschließen, weil sie zum Beispiel nur auf diese Weise Unterricht in Mangelfächern sichern oder die Fortsetzung längerfristiger Projekte realisieren können. Die Senioren-Obleute der VDR-Landesverbände erfüllen in diesem Umfeld wichtige Aufgaben mit einer doppelten Perspektive: Zum einen verhelfen sie ihrer Klientel in den Landesvorständen zu Verständnis und Gehör, andererseits informieren und beraten sie auch nach innen. Ihr beachtliches Wissen in versorgungsrechtlichen Belangen, zu den Erstattungsmodalitäten von Beihilfe und Krankenkassen wirkt sich vor allem dann segensreich aus, wenn frisch in den Ruhestand Versetzte darüber nachdenken, ob sie im Alter auf die Mitgliedschaft in einer engagierten und leistungsstarken Standesvertretung verzichten wollen.
In diesem Netzwerk bewegt sich seit vielen Jahren und mit großem Erfolg die Bundesbeauftragte der VDR-Senioren, Christa Nicklas. Regelmäßig lädt sie die Landesvertreter und –vertreterinnen zu gut vorbereiteten und interessanten Fachtagungen und Seminaren ein. Ob es dabei um Eigeninitiativen bei der sinnvollen Ausgestaltung des neuen Lebensabschnittes, um gesundheitliche Fragen oder um Beihilfe und Versorgung geht, stets findet Nicklas attraktive Themen und hervorragend informierte Referenten, deren Wissen und Erfahrungen auf diese Weise gern in die Landesverbände weitergereicht werden. Für ihre jüngste Veranstaltung „Sozialrecht und Rente in Deutschland“ im vergangenen März in Königswinter hatte sie den Rentenexperten Dr. Oliver Kluxen aus dem BRH Sachsen und den Referenten für Beamtenrecht im Deutschen Beamtenbund, Thilo Hommel, gewinnen können. Ersterer ging in seinen Beiträgen ausführlich auf Entstehung und Geschichte der sozialen Sicherungssysteme sowohl der Bundesrepublik als auch der DDR ein und verdeutlichte an ausgewählten Beispielen, dass bei der Angleichung beider Systeme zwar Fehler gemacht worden und Probleme ungelöst geblieben seien, dass jedoch das sog. „Rentenüberleitungsgesetz“ (RÜG) vom 25. Juli 1991 einen großen Wurf darstellt, bei dem vieles richtig gemacht worden sei. Während einer Podiumsdiskussion erörterten Kluxen und der VDR-Bundesvorsitzende Böhm Besonderheiten und Alleinstellungsmerkmale von Renten und Pensionen. Die Wiederbesetzung der Position der/des Senioren-Bundesbeauftragten, anlässlich der Christa Nicklas mit großer Mehrheit in ihrem Amt bestätigt wurde, und ein Tätigkeitsbericht Böhms rundeten das zweieinhalbtägige Programm ab. Wilfried Rausch, Seniorenvertreter aus Rheinland-Pfalz, wird künftig in der VDR Seniorenvertretung künftig mitarbeiten.
Christa Nicklas
Strukturen des Sozialstaates und der Alterssicherung in der Bundesrepublik und der DDR
In seiner Beschreibung vom Wesen eines Sozialstaates ging Kluxen von folgender Definition aus: „Ein Sozialstaat ist ein Staat, der in seinem Handeln soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit anstrebt, um die Teilhabe aller an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen zu leisten“. Bezeichnend für den Sozialstaat sei die konkrete Gesamtheit staatlicher Einrichtungen, Steuerungsmaßnahmen und Normen, um das Ziel zu erreichen, Lebensrisiken und soziale Folgewirkungen abzufedern.
Viele dieser aufgeführten Vorgaben finden sich in der Verfassung und im Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland wieder. Im Vorfeld und der Frühphase der Wiedervereinigung stellte sich jedoch schnell heraus, dass die sozialen Sicherungsstrukturen beider deutschen Staaten nicht ohne weiteres kompatibel waren. DDR-Einkommen lagen mit ca. 600 Mark deutlich unter dem westdeutschen Durchschnitt. Eine Rentenkasse existierte in der DDR nicht. Eine unangepasste Fortschreibung des Systems hätte nach einigen Jahren zur Implosion geführt und die Auszahlung von ausreichenden Alterssicherungsbezügen unmöglich gemacht. Hinzu kam, dass es in der DDR für einzelne Berufe und Berufssparten in der Öffentlichkeit nicht länger vermittelbare Sonderregelungen gab. So existierten Sonderversorgungssysteme für Armee, Polizei, Feuerwehr und den Strafvollzug. Ärzte, Pädagogen und Hochschullehrer profitierten von Zusatzversorgungen, die bis zu 80 Prozent des letzten Netto-Einkommens erreichten. Manche Sonderregelungen wie z.B. die für Ballettmitglieder an den DDR-Bühnen waren einfach vergessen worden. In Ehescheidungsverfahren war das Instrument des Versorgungsausgleichs unbekannt und führte zu weiteren Ungerechtigkeiten. So beruht der Unmut über Fehlentwicklungen in den neuen Bundesländern auf realen Vorgängen und ist daher verständlich. Dennoch bekräftigte Kluxen seine persönliche Einschätzung der zurückliegenden Entwicklung: „Die Rentenüberleitung war insgesamt ein erfolgreicher Prozess und eine Kraftanstrengung der Solidargemeinschaft, für die wir dankbar und auf die wir stolz sein können.“
Wichtige Einflussfaktoren auf die Sozialsysteme
Die in der Bundesrepublik eingerichteten Alterssicherungssysteme ordnete Kluxen nach der berufsständischen Zugehörigkeit ihrer Mitglieder ein. So unterschied er die gesetzliche Rentenversicherung für alle Arbeitnehmer, die Beamtenversorgung auf allen Ebenen von den Kommunen über die Länder bis zum Bund, die – freiwillige – betriebliche Alterversorgung, die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, die Alterssicherung der Landwirte und schließlich berufsständische Versorgungswerke für selbstständige Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker und weitere freie Berufe. Beamtenpensionen werden aus dem Steueraufkommen bzw. aus dafür reservierten Rückstellungen im Haushalt des Dienstherrn finanziert. Für alle übrigen gilt der Grundsatz, dass die Alten nicht mehr verbrauchen dürfen als die Jungen einzahlen.
Die Leistungen der aufgezählten Institutionen seien, so Kluxen, von folgenden Faktoren abhängig, nämlich der Entwicklung der Altersstruktur, der Lebenserwartung, dem Beginn von Rentenzahlungen, der durchschnittlichen Rentenbezugsdauer, dem Bruttoeinkommen der Bevölkerung und den Rentenzahlbeträgen. Der Gesetzgeber ist fest entschlossen, bei den Rentenauszahlungen noch existierende Unterschiede bis zum Jahr 2025 zu beseitigen und keine Unterschiede zwischen West- und Ostrenten mehr zuzulassen. Durch das Rentenpaket aus dem Jahr 2014 und den Rentenpakt von 2019 seien neue Berentungsmöglichkeiten wie die „Rente mit 63“, die Erwerbsminderungsrente oder die Mütterrente, die durch jüngste Novellierungen unter bestimmten Voraussetzung bis zu zweieinhalb Erziehungsjahren ausgleichen soll, eingeführt worden. Da insbesondere die Mütterrente nicht aus zuvor erhobenen Beiträgen der Versicherten finanziert werden kann, bedarf es staatlicher Zuschüsse, um den höheren Mittelbedarf befriedigen zu können
Jürgen Böhm und Dr. O. Kluxen
Rente vs. Pensionen
In einer einführenden Stellungnahme bekannte sich Bundesvorsitzender Böhm vorbehaltlos zur Beibehaltung des Beamtenstatus im öffentlichen Dienst und insbesondere zur Verbeamtung der Lehrkräfte. Auch am Referendariat dürfe nicht gerüttelt werden. Er, Böhm, befürchte einen Domino-Effekt: Falle dieser wichtige Ausbildungsabschnitt, stehe auch der Beamtenstatus der Lehrerinnen und Lehrer zur Disposition. Böhm berichtete über eine Kampagne des Deutschen Beamtenbundes – „Die Unverzichtbaren“ –, in der Rolle und Bedeutung beamteter Beschäftigter deutlich herausgestellt worden seien. Große Bedeutung gewinne in jüngerer Zeit auch das Thema „Lehrergesundheit“. Viele Lehrerinnen und Lehrer arbeiteten am Limit und fürchten, die bis zum 67. Lebensjahr ausgeweitete Dienstzeit früher beenden zu müssen. Abschließend warnte Böhm vor einer zunehmend unsachlicher gewordenen Diskussion um den Vergleich von Renten mit Pensionen. So werde eine Durchschnittsrente von 1.224 Euro unkommentiert mit einer Durchschnittspension von 2.600 Euro verglichen. Böhm verwies dazu auf eine Broschüre des dbb, in der die im Umlauf befindlichen Irrtümer nachvollziehbar wiederlegt worden sind.
Aktuelles aus dem Beihilferecht
Über die jüngsten Entwicklungen im Beihilferecht informierte Thilo Hommel, Referent für Beamtenrecht beim Deutschen Beamtenbund in Berlin, das Plenum. Vor allem die Föderalismusreform habe, so Hommel, die Zersplitterung der Beihilferegelungen mit verursacht, indem sich in den Bundesländern sehr unterschiedliche Strukturen ausgebildet haben. Bedeutsam sei aus jüngerer Zeit ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Dienstherr im Einzelfall zu Kürzungen im Beihilferecht berechtigt sei, sofern die Beihilfe in ihrem Wesenskern erhalten bleibe. Zur Zeit beobachte der dbb sorgfältig Entwicklungen und Veränderungen auf folgenden Gebieten: Digitalisierung (z.B. App´s zur Beantragung von Beihilfe), die Entwicklung von Erstattungsleistungen und Gebührenordnungen in den medizinischen Berufen. Für die Zahl Pflegebedürftiger erwartet Hommel zeitnah eine Verdoppelung.
Zur Bürgerversicherung, die im Bundestag und in den Länderparlamenten vor allem bei Sozialdemokraten und Grünen Zustimmung findet, äußerte sich Hommel ablehnend. Sie biete keine Lösungen, sondern generiere lediglich neue Probleme.
„Mein Vaterland, die schöne Gegend ...“
Dieser Tagungsbericht wäre unvollständig, enthielte er keinen Hinweis auf die Exkursion der VDR-Seniorenvertreter zur sehenswerten Beethoven-Ausstellung aus Anlass des 250. Geburtstages des Komponisten in der Bonner Bundeskunsthalle, die wiederum von Wilfried Rausch bestens organisiert worden war. Die ersten 22 Jahre seines Lebens hat Beethoven in seiner Vaterstadt zugebracht. Rund siebzig seiner Kompositionen sind hier entstanden. Beethoven hat seinen Geburtsort selbst noch aus dem fernen Wien geliebt. An seinen Bonner Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler schrieb er 1801: „Mein Vaterland, die schöne Gegend, in der ich das Licht der Welt erblickte, ist mir noch immer so schön und deutlich vor Augen ...“ Die Bonner haben ihm seine Anhänglichkeit nicht vergessen. 1845 errichteten sie auf dem Münsterplatz das weltweit erste Beethoven-Denkmal. Die Einweihung einer Wiener Beethoven-Statue erfolgte erst 35 Jahre später.
Karlheinz Kaden